Samstag, 22. September 2012

Review: Blumentopf - Wir

Seit der Fußball-WM 2006, bei der Blumentopf die Ergebnisse des Spieltages als sogenannte "Raportage" rappend darstellten, haben sie bundesweit einen großen Bekanntheitsschub erfahren. Aufgrund positiver Resonanzen wurde auch zur EM 2008 und WM 2010 diese Art der Berichterstattung fortgesetzt. Blumentopf gaben sich dabei stets dynamisch, genau wie ihr 2010er Album "Wir", welches mit modernen Lyrics und einem frischen Sound auf den Fan wartet.

Das Alter merkt man der Gruppe tatsächlich nicht an. Mitte 2010 stehen sie bereits kurz vor ihrem zwanzigjährigen Bandjubiläum. "Wir" kommt trotz dessen unerwartet locker und neuartig um die Ecke, was man bereits beim ersten Titel "Systemfuck" bemerkt, der vor lauter Metaphern und Anglizismen der Computerwelt beinahe überquillt. Die Fragestellung, wer diesen Text vor 15 Jahren verstanden hätte, wird zwangsweise von einem breiten Grinsen verfolgt. Mit "Erzähl Mir Was" zerfetzen sie die gesellschaftliche Erscheinungsform der Geschichtenerzähler sowie der Marionetten der Aufmerksamkeit. Ja, die Jungs haben sichtlich eine kurze Frischzellentherapie hinter sich.

Der Titeltrack und gleichzeitig die erste Single-Auskopplung ist "Wir" und ertönt mit einfachem Beat, einer bestechenden Hintergrundgitarre und einer berechneten Selbstgefälligkeit, die nach diesen ersten paar Minuten sehr wohl fruchtet. "Taschen Voller Sonnenschein" gibt sich als relaxte Hymne über das Leben der Geruhsamen, während "Solala" als zweite Auskopplung erstmalig den Sprung in die Top 50 schaffte. Für Blumentopf untypisch, dennoch nicht unrealistisch, was wohl auch am genialen Text und an dem frohlockenden, herrlichen Beat liegen dürfte. Für mich ist der Track klar eines der Highlights der Scheibe.


Generell läutet "Solala" die Ära der Bombensongs ein. Das folgende "Nicht Genug" ist ebenso wunderbar und mit einer überraschenden Punchline versehen wie das absolut geniale und unterhaltsame "Nerds". An dieser Stelle möchte ich meinen, dass man einen Text über unsere fachsimpelnden, aufstrebenden und meist brillenbehafteten Geschöpfe niemals so passend und humorvoll auf den Tisch legen kann, wenn man nicht selbst zu einem gewissen Teil einer davon ist. Aber wer ist das heutzutage schon nicht? Das kurze und kritische "Wach Auf" streckt darauf alle Lebensmüden nieder und animiert zur Motivation, etwas in seinem Leben zu verwirklichen.

Mit den drei Tracks "Mein Dein", "Hunger" und "Fenster zum Berg" warten enorm fette und groovige Beats auf den Hörer. Aufgrund des Features sagt mir "Mein Dein" dann allerdings nicht so zu wie der folgende Song "Hunger", der musikalisch (fetter Beat) und textlich (Kritik an der Musikindustrie) definitiv nicht enttäuscht. Zum Überraschungshit kommen wir allerdings jetzt, denn als der Ausreißer des Albums gilt eindeutig "Fenster zum Berg". Der Song ist angelehnt an die Platte "Fenster zum Hof" der Stieber Twins und präsentiert einige Zitate, während im Hintergrund mit der Blaskapelle Münsing ein Bergfest startet. Mehr möchte ich an dieser Stelle auch gar nicht verraten - überzeugt euch von diesem Humor einfach selbst.

Danach ebbt die Welle der Euphorie jedoch wieder etwas ab. Bis auf den drückenden Beat bei "Supereinfachschwierig" geht dem Album zum Schluss dann doch leider ein wenig die Luft aus.

Unterm Strich darf man ruhig hervorheben, dass sich die Texte durchweg zwischen einem sehr hohem Niveau und humorvollen Lines ausbalancieren. Oftmals entscheidend dafür, dass ein Song endgültig als Highlights erstrahlt, sind letztlich doch die Beats bzw. die Features. Während mir letzteres auf "Wir" an beiden Stellen ("Mein Dein",  "Sie Tanzt Die Nächte Durch"nicht zusagt, passen die Samples und Beats zu fast jeder Zeit wie die Faust aufs Auge und hinterlassen dem Hörer damit ein Album, welches sehr relaxt, intelligent und unterhaltsam den Tag zu versüßen weiß. Starke vier Punkte!

Euer Fibo

Wertung

Tracklist von "Wir"

01. Systemfuck (3:27)
02. Erzähl Mir Was (3:05)
03. Wir (2:56)
04. Taschen Voller Sonnenschein (2:54)
05. Solala (3:40)
06. Nicht Genug (3:52)
07. Nerds (4:30)
08. Wach Auf (2:23)
09. Ausmisten (4:05)
10. Mein Dein (3:50)
11. Hunger (3:57)
12. Fenster Zum Berg (4:10)
13. Helping Hand (2:34)
14. Supereinfachschwierig (2:37)
15. Sie Tanzt Die Nächte Durch (4:00)

Weitere Infos

Release: 04.06.2010
Gesamtspielzeit: 51:50
Cajus Heinzmann (Vocals)
Bernhard Wunderlich (Vocals)
Florian Schuster (Vocals)
Roger Manglus (Vocals)
Sebastian Weiss (Electronica)

Band-Kontakt

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