Sonntag, 8. Juli 2012

Review: Thalamus - Mr. Avenson

Wer sich die Tracklist von "Mr. Avenson" zu Gemüte führt, wird zuerst etwas hilflos zurückgelassen. In Verbindung mit dem Bandnamen Thalamus (zu Deutsch: Schlafkammer, ein Teil des Gehirns) heißt dies jedoch sicherlich "mach dir deine eigenen Gedanken". Was bei den ersten Gehversuchen "The Ordered Insanity" sowie "27" noch nicht zu einhundert Prozent ausgereift war, nimmt hier und jetzt eine Form an, die weitläufige Schatten auf die Musiklandschaft wirft.

Das Licht des Hörers ist zu Beginn zwar schwach. Doch mit fortlaufender Zeit wird jenes Leuchten immer stärker und erkennt selbst die kleinen Details von "Mr. Avenson". Der geworfene Schatten ist nicht nur groß, sondern vor allem zu Beginn bitterschwarz und äußerst dunkel. Wenn die ersten Sekunden von "Pray" vorüber sind, weiß man nämlich auf Anhieb nicht so recht, wohin man Thalamus soundtechnisch packen soll. Doch wenn man genau hinhört, verrät einem die allererste Sekunde bereits, worum es in dem Soundgefüge der Band geht. 

Der Geübte Hörer erkennt sofort zwei Bands aus dieser einen Sekunde der Eröffnung: Ein thrashiger Gitarrenriff im Metallica-Design sowie eine typische Tool-Klangspule vereinen den ersten Moment der Platte zu einem festgeschriebenen Zitat. Doch zwischen Eckpfeilern wie eben Metallica und Tool bleiben noch viele Nuancen offen, die sich die Band im Laufe des über 70-minütigen Albums erspielt. 

"Pray" gibt zu Beginn einen sehr offenkundigen Einlass in das metallisch glänzende Gehäuse, welches durch einen abschließenden Über-Refrain beinahe zu Staub zerfällt. Eine feste Songstruktur? Fehlanzeige. Auch mit dem zweiten Track "Mr. Avenson" punktet Sänger Dave Müller gleich zu Beginn mit einer rohen und fordernden Stimme. Generell sei angemerkt, dass die Vocals einen ständigen Höhepunkt der Band darstellen, die mal rau und aggressiv, mal sinnig und gefühlsbetont die Bühne verlassen, sich dabei aber niemals verlieren. Wie dies funktioniert, zeigt der Titelsong zum Schluss nahezu perfekt. Der dritte Track, "Hedono", ist mit dem Adjektiv "komisch" noch sehr gut betitelt. Harmonie und Disharmonie geben sich hier die Klinke in die Hand - extrem grazil wird diese Gratwanderung dabei vollführt. Dies gilt auch für solch grobe Brocken wie "Mofu", "Utopia" oder "Conspiracy Theory", die zu Beginn mit dem Stahlhammer durch die Decke fallen, nur um einige Sekunden später wohltuende Melodien zu offenbaren. 

"The Machine" bringt in Sachen Stimmenlage eine so derbe Art mit sich, dass allein vom Zuhören literweise Testosteron durch die Venen gepumpt wird. Die heimische Anlage dabei nicht aufzudrehen ist kaum machbar. Das Gegenstück "Oleander" erwägt darauf zum ersten Mal einen ruhigen Weg einzuschlagen. Und auch hier wird man erneut Zeuge einer derart fulminanten Gesangsleistung, dass es fast unmöglich ist, diese auch nur ansatzweise in ein 0815-Verhältnis zu pressen. Mit "The Bell" lauert ein deftiger Ohrwurm auf den Hörer, der durch die geschickte Gitarrenarbeit und den einprägsamen Grundtakt sehr schnell ins Ohr geht. Das bereits angesprochene "Conspiracy Theory" zeugt von einer enormen Verspieltheit, die man als Hörer erst einmal verinnerlichen muss, bevor der Track auch wirklich zünden kann. 

Innerhalb des siebenminütigen "Pandora" erklingt eine großartige musikalische Darbietung, die sich hinter keiner der großen Vorbilder verstecken braucht. Ein Gitarrenlauf wie der zum Ende hin erinnert nicht nur stark an atmosphärische Monster wie "Eidolon" der US-Amerikaner von Rishloo, sondern stellt stets die eigene Note zur Show. Klasse! Der Sound scheint gefunden und die Band scheint sich damit wohl zu fühlen. Große Songs mit einer gehörigen Portion Eigenständigkeit sowie klangliche Muster, die man nicht jeden Tag hört, sind hier der Auslöser für ein mächtiges Werk, welches mit "Mr. Avenson" betitelt wurde. 

Da bleiben noch die Abschlusssongs "Dissolution" und "Beyond The Halls" - und die haben es noch einmal so richtig in sich! Da ein "in Worte fassen" dieser musikalischen Landschaft kaum möglich ist, appelliere ich hier an alle Musikliebhaber, die nur im Entferntesten etwas mit Tool oder Rishloo sowie experimentellen Rock/Metal zu tun haben, sich diese Scheibe anzuhören!

Euer Fibo


Wertung


Tracklist von "Mr. Avenson"

01. Pray (4:20) 
02. Mr. Avenson (5:10) 
03. Hedono (3:44) 
04. The Machine (5:16) 
05. Oleander (6:28) 
06. The Bell (4:30) 
07. Conspiracy Theory (4:54) 
08. Pandora (6:59) 
09. Utopia (4:04) 
10. Mofu (4:48) 
11. Dissolution (11:44) 
12. Beyond The Halls (4:02)

Weitere Infos

Release: 25.05.2011 
Spielzeit: 66:13 
Dave Müller (Gesang, Gitarre)
Dennis Bosch (Gitarre)
Andreas H. Bacon (Bass)
Roland Kozubek (Schlagzeug)

Band-Kontakt

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich bitte trotz aller Subjektivität sachlich zu diskutieren. Danke!